Dreiviertel Himmel, ein Viertel Land


Winkekatze Wer einen abwechslungsreichen, spannenden Urlaub sucht, Tage, die man nie vergießt, sollte die Finger von Ostfriesland lassen. „Viel Platz zwischen dem Nichts“, das ist Ostfriesland. Zwischen Emden im Westen und Jever im Osten wird Langeweile als Technik der Entspannung verkauft. Die Entdeckung des Nichts als Wellness – Methode für die Zielgruppe Ü60.

Fräulein Scholz und ich machen Kurzurlaub und stehen auf dem Deich bei Pilsum und schauen aufs Meer, das aber wieder mal nicht da ist. Ein paar Meter weiter steht der Leuchtturm von Pilsum. Er ist in rot-gelb gehalten und erinnert mehr an eine Einwegdose eines Energy-Drinks als an ein Leuchtturm. Das Rote -Gelbe Türmchen taucht auf jeder Postkarte und in jedem Reiseführer auf, da er Mitten auf dem Deich steht, lustig gestreift ist und der Otto Walkes ihn mit dem Klassiker „Otto und die Ausserirdischen“ zu Weltruhm verholfen hat. „Können wir?“, fragt Fräulein Scholz und feilt ihre Fingernägel, als Ausdruck ihrer Langeweile. „Noch eine Minute die weite Genießen. Aufs Meer schauen“, sage ich und schaue vom Deich runter. „Das ist kein Meer. Es ist Ebbe“, sagt Fräulein Scholz und macht sich wieder auf dem Weg zum Kleinwagen, der unten auf dem Parkplatz steht. Im Sommer, bis Ende August, kann man auf dem Parkplatz auch Eis und Kaltgetränke kaufen. Jetzt ist der Kiosk aber geschlossen. Jetzt ist hier gar nichts. Ich gucke noch ein letztes Mal aufs Meer, was aber gerade nicht da ist und folge Fräulein Scholz.

Am nächsten Tag stehen Fräulein Scholz und ich schon wieder vor dem Deich. Aber dieses Mal auf der anderen Seite, denn heute machen Fräulein Scholz und ich eine Wattwanderung. Ein sehr kurze Wattwanderung, eher ein paar Schritte durchs Watt. Aber immerhin. Wir haben unsere Schuhe ausgezogen und laufen barfuß durch den Schlamm, also durch Sand und Schlick. Es ist sehr glitschig, feucht und eklig. Schon noch ein paar Schritten haben wir beide eigentlich keine Lust mehr weiterzulaufen. Man hat bei jedem Schritt Angst, auszurutschen und im Matsch, also Schlick zu landen. Hundert Meter vor uns ist eine ganze Gruppe von Wattwanderern. Wattwanderer sind Naturfreude. Sie lieben glitschig und feucht und laufen ganz munter durchs Watt. Sie lassen sich von einem ausgebildeten Naturburschen alles erklären. Es gibt nämlich sehr viel Leben im Watt, was man erklären kann: Würmer, Krebse, kleine Spinnen, Muscheln. Wie gesagt, es ist sehr ekelig. Plötzlich sehe ich einen großen Fisch, der auf dem nassen Schlamm, also Schlick liegt. „Guck mal, ein Fisch“, sage ich. Und Fräulein Scholz verzieht das Gesicht. „Ih, bah“, sagt sie. Doch dann entdecken wir, dass der Fisch in Wirklichkeit ein Stückchen Holz ist, was hier Treibgut heißt, wenn es im Schlamm herumliegt und Fräulein Scholz sagt, dass ich es mal mitnehmen soll. „Das können wir uns als Gegenstand auf die Fensterbank legen“, meint sie. Klasse Idee, denke ich und schlurfe vorsichtig zum Holzstück rüber. Es ist noch viel schöner, als wir von weiten dachten. Wenn man es dreht, kann man mit ein wenig Fantasie sogar einen Elefanten erkennen oder einen Penis. Fräulein Scholz und ich spüren, dass wir sehr glücklich mit unserem neunen Stückchen Treibholz werden.

Der dritte Tag in Ostfriesland. Neben den Dörfern, die alle Namen wie Dorum, Rysum, Pilsum oder Loppersum tragen und eher nach einer Zahnpasta oder einem Kaugummi als nach einem Dorf klingen, gibt es auch ein paar Kleinstädte in Ostfriesland. Die wichtigste und bekannteste ist Emden. In seiner alten Geschichte war Emden sogar schon einmal ein europäisch wichtiger Seehafen. Die Bedeutung Emdens als Hafen hat aber in den letzten Jahrzehnten immer mehr abgenommen. Wurden früher die ganz großen Kähne in Emden gebaut, sind es heute vielleicht noch ein paar Jachten, welche hier ausgebessert werden. Glücklicherweise hat sich in Emden VW angesiedelt. Für den Transport der Autos braucht man noch den Hafen, sonst könnte man das Ding auch dicht machen.

Fräulein Scholz und ich wollen heute mal ganz verrückt sein und entschließen uns, eine Hafenrundfahrt zu machen. Auf einen kleinen Passagierschiff schippern wir fünfzig Minuten durch den Hafen. Der Hafenrundfahrt- Führer erklärt uns, was wir sehen. „Hier ist eine Schleuse. Da ein Wasserschutzboot und dort werden Jachten auf dem Trockendock repariert“, sagt der Führer gelangweilt. Vom Ufer winken zwei Kinder, welche die Schule schwänzen. Als wir zurück winken, zeigt uns einer der beiden ein Stinkefinker. „Spako“, brüllt Fräulein Scholz Richtung Hafenmauer. „Fotze“, brüllen die Kleinen. Diese Kinder, sage ich mit einem Lächeln. Auf dem Boot kreischt plötzlich ein kleiner Junge, weil er Eis haben will. Als der Vater genug von dem Gebrüll hat, klebt er dem Jungen eine. Jetzt hält sich auch Fräulein Scholz den Bauch vor Lachen. Und dann sind dort noch ein paar Betrunkene auf der Hafenmauer, die so tun als ob sie Fisch angeln. Auch sie sind sehr lustig. Sonst passiert aber nichts und wir sind froh, als wir wieder Land unter den Füßen haben und zurück in unsere Ferienhütte können. Wir haben das Beste aus Emden gemacht, aber noch mal müssen wir da nicht hin.

Dreiviertel Himmel, ein Viertel Land. Wenn es etwa zuhauf in Ostfriesland gibt, dann sind es Vögel und Vögel - Beobachter. Ornithologen. Am Abend sitzen Fräulein Scholz und ich in einem Restaurant in Greetsiel, einer Touristenfalle nördlich von Aurich, und ein Tisch weiter sitzt eine Reisegruppe Vogelkundler. Sie füllen Listen aus, was sie alles im Laufe des Tages beobachtet haben und fuchteln aufgeregt mit den Armen. Wenn ich mal so werde, darfst du mich erschiessen, sagt Fräulein Scholz und stochert unzufrieden in ihrer Forelle Blau. Ich trinke Jever - Korn, weil ich das irgendwie landestypisch finde und kratze mit meinem Schlüssel Möwen in den Holztisch. Später am Abend kommt es am Ornitholgen Tisch zum Streit, um eine Vogel – Sichtung. Nach ein paar lauten Worten geht man über zur Handgreiflichkeiten, Haare ziehen, kratzen und Faust Schlägen. Ich drehe ein klasse Video, für was ich später hunderte von Klicks erziele und Fräulein Scholz gewinnt ihr Lächeln und ihren Appetit zurück.

Als wir am nächsten Tag das Ostfriesische verlassen müssen, sind wir fast ein wenig wehmütig. Dreiviertel Himmel, ein Viertel Land. Ostfriesland ist wie ein Kettcar Song. Irgendwie langweilig und traurig. Irgendwie schön, sagt Fräulein Scholz, als wir mit unserem Kleinwagen Richtung Heimat fahren.


Wieder was mit Nahrungsmittel


Winkekatze 24. Januar. Braunschweig. Auf Reisen esse ich gerne. Reisen macht hungrig und neugierig wie es in der Fremde schmeckt, auch wenn die Fremde oft bei mir nur die Nachbarstadt ist. Am Bahnhof Osnabrück ein Würstchen im Brötchen, in der Innenstadt Dortmunds den Chinaimbiss, gerne auch regionale Köstlichkeiten wie Nürnberger Würstchen in Nürnberg, Fischbrötchen in Bremen oder eben Döner. Döner in München, Döner in Berlin, Döner in Lüneburg. Döner überall. Döner global. Döner im Brot, Döner mit scharfer Soße, Döner mit Kräutersoße, Döner ohne alles, Döner spezial. Gestern Abend waren wir nach dem Auftritt im Kebab Haus gegenüber vom Braunschweiger Schloss. Ich bestellte nach reiflicher Überlegung einen Dürüm Döner, also Dönerfleisch im eingerollten Brot. Meistens bestelle ich Dürum Döner, weil man den essen kann, ohne das die Hälfte rausfliegt. Jedenfalls habe ich selten so eine versüffte Bude wie das Kebab Haus gesehen. Die Tische waren rutschig vom Fett, die Klos sahen so aus, als ob eine Schulklasse Durchfall gehabt hätte, der Boden lag voller Müll. Und das Essen? Das Essen war nicht gut, aber üppig. Das muss man ihnen lassen, groß waren die Portionen. Und während des Essens hatte ich einen astreinen Blick auf das schmucke Herrenklo, da die Tür nicht zum Klo richtig schloss. Beim Bezahlen fragte mich nachher einer der Dönermänner, ob es mir geschmeckt habe. Ich habe nicht drauf geantwortet. Aber es war wohl auch nur eine Floskel von ihm. Während er mich fragte, guckte er schon den nächsten Gast an und nahm die Bestellung auf. Tatsächlich verstehe ich nicht, wie solche Läden an den städtischen Kontrollen vorbei schlittern können. Wäre ich in dieser Stadt Bürgermeister, Oberbürgermeister, wüsste ich, was ich als erstes machen würde. „Liebe Bürger, das Kebab Haus wird auf der Stelle geschlossen, bis die Jungs ihren Dreck unter Kontrolle haben“, würde ich als Bürgermeister zu meinen Untertanen sagen. Und das Volk? Das Volk würden mir danken.


Grünkohl nur im Kännchen


Münster, 15. Dezember, 22 Uhr. Preußen seit acht Spielen ungeschlagen. Neuer Bahnhof in Münster-Roxel eröffnet. Blinder Mann übersieht junge Frau, drei Schwerverletzte. Na so was, Mensch. Ich sitze im Büro, höre Radio, traurige Liedermacher, die traurige Lieder machen. Was sollen sie auch sonst tun? Es sind Liedermacher, die singen eben traurig. Ich rauche Gedrehte, trinke Bier, döse dazwischen dahin, weil ich müde bin. So müde. Oder ich renne aufs Klo, weil ich mich übergeben muss. So übergeben. Was soll ich auch sonst machen? Ich bin Herr Weber, ich kann nicht singen. Und es ist wieder kein Winter, weil Winter gab es schon seit meiner Kindheit nicht mehr. Diese eisigen Tage und tiefen Nächte, die mit einem weißen Federbett zudeckt waren, wir tranken heißen Kakao, lasen dicke Bücher , saßen am Kamin, bauten Schneemänner, einer schöner als der andere und wir fuhren Schlitten, die uns unsere Väter aus einem Stück Holz tischlerten und mit kleinen Verzierungen versahen. Blumen, Wolken, Blumen und Wolken. Und unsere Lippen waren von der Kälte blau, so blau wie Blaukraut. Und bis Weihnachten war es noch über eine Woche, also eine Ewigkeit. In einer Woche konnten wir damals die Welt retten und wieder kaputt machen und wir retten und kaputt machen. Ach Mensch, so weit ließ sich gar nicht denken. Eine Woche. Eine blaue Ewigkeit. Ich sitze in meinem Büro und manchmal renne ich aufs Klo, übergebe mich und rufe in die Schlüssel, wo bloß der Winter geblieben ist, der Blaue oder der Sommer, die ins Rosa changierende, oder die Zeit, die tigerfarbene Zuhälterin. Ich trinke Bier und rauche und erzähle mir, dass damals alles besser war. Auch die Milch und der Käse. Aber heute nur noch Nicht Vegetarier und graues Gemüse, was traurige Lieder singt Ich übergebe bei drei. Eins, zwei, drei. Ich übergebe.

Düsseldorf, 12. Dezember, 16 Uhr. Sitze im IC nach Aachen und habe kalte Füße. Doch ich bin zufrieden. Kalte Füße sind für mich ein Zeichen, dass ich lebe. Wenn du deine Füße nicht mehr spürst, dann ist es vorbei, aber solange deine Zehen frösteln und der Fuß vor Kälte brennt, ist alles in Ordnung. Ich kenne viele Leute für die kalte Füße das Schlimmste sind. Gerade die Frau an sich ist ein Meisterin in dieser Art des Fuß Leidens. Aber diesen Frauen geht es einfach zu gut. Die ganzen hungrigen, behinderten, blinden oder kranken Menschen in den Armutsvierteln, hintern den Bahnhöfen, auf den Straßen der Welt wären froh, wenn sie einfach nur kalte Füße hätten. Sag doch mal zu einem Querschnittgelähmten, dass dich deine kalten Füße quälen. Wenn er könnte, würde der dir eine reinbrettern. Zu Recht würde der dir eine reinbrettern. Kann er aber nicht. Glück gehabt. Nein, mir geht es gut. Ich habe einfach nur kalte Füße.

Winkekatze Münster. 12. Dezember, 9 Uhr. Drüben guckt der Nachbar Hans Wurst schon wieder Fernsehen. Die Zeitung berichtet: „Arm, aber sexy“ - Ära vorbei und nackter Motorradfahrer enttarnt. Das Wetter? Erbärmlich. Die Deutschen leben immer gesünder, was sicher auch mit den unsicheren Renten und der schlechten Krankenversicherung für Kassenpatienten zu tun hat. Insgesamt herrscht Angst, die in der Weihnachtszeit durch Konsum weggemacht wird. Nicht ohne Grund ist heute Moonlight Shopping in Münster. Bis 22 Uhr sind die Geschäfte in der Innenstadt geöffnet, damit der verängstigte Bürger sich ablenken kann. Die Voraussetzungen für einen wunderschönen Tag sind also gegeben.

Winkekatze Münster, 11. Dezember. Hans Wurst von gegenüber schaut wieder Fernsehen. Hans Wurst schaut immer Fernsehen. Morgen, mittags, abends, nachts, der Fernseher brennt immer. Ich weiß nicht, was er schaut. Das sieht man von meiner Wohnung nicht. Aber er schaut immer. Und sicher schaut der nur Dreck, weil Menschen, wo immer der Fernseher läuft, sind dumm. Wie auch Menschen, die 1,5 Liter Flaschen Coca Cola trinken und Chips aus Waschmitteltonnen essen, dumm sind. Hans Wurst trinkt sicher sehr viel Coca Cola und frisst Chips aus Waschmitteltonnen oder einfach nur Fleisch. Billiges Fleisch, von billigen Mastschweinen aus einer der industriellen Massentierhaltung. Aber für Hans Wurst ist Grillen das Größte. Und Fußball. Und Weiber. Hans Wurst geht aber nur selten raus, weil draußen ist es zu gefährlich. Lieber schaut er fern. Da sieht er schon genug von der Welt. Ich weiß nicht genau, ob Hans Wurst wirklich dauernd grillt und Coca Cola trinkt, aber der Fernseher läuft immer. Und solche Menschen kennt man doch.

Wien, 5. Dezember. Ich trinke mit dem Herrn Advokat Bier am Mittag und später gehen wir spazieren. Der gnädige Herr Advokat erklärt mir, dass in Wien alles sehr groß ist. Die Gebäude, die Schnitzel, sogar die Frauen sind sehr groß. Ich schaudere. Große Frauen haben mir schon immer Angst gemacht. Ich laufe mit dem Herrn Advokat die Ringstraße runter oder rum, weil man eine Ringstraße eigentlich nicht runter laufen kann. Einen Ring kann man entlanglaufen oder man kann rumlaufen. Aber runter oder hoch laufen geht eigentlich nicht. Der gnädige Herr Advokat sagt, dass die Ringstraße jetzt 150 Jahre alt wird. Viele große Frauen erinnern sich noch an ihren Bau. Ich nicke. In Münster werden die Frauen nicht so alt, sage ich. Aber wir haben auch keine so großen Frauen. Es ist alles sehr klein bei uns, erkläre ich ihm. An dem Blick des gnädigen Herren Advokat sehe ich, dass er nur Mitleid für uns übrig hat. Ich hasse ihn dafür.

Wien, 5. Dezember. Auf den Häusern an der Ringstraße in Wien stehen viele leichtbekleidete, große Griechen, sie kämpfen mit Löwen und Pferden oder stehen einfach nur so rum und halten einen Speer in der Hand. Gerne tragen sie Bart, den sie nachdenklich streicheln. Natürlich kann ich nicht mit hundertprozentiger Gewissheit sagen, dass es sich um Griechen handelt. Aber die Erfahrung lehrt einen, dass es sich um Griechen handelt. Nur Griechen streicheln in dieser nachdenklichen Weise ihren Bart.

Wien, 4. Dezember. Bier und Zigaretten im Café Prügel. Ober im verstaubten, schwarzen Anzug und Fliege. „Was wünschen der Herr.“, fragen die feinen Herren. „Wir sind sehr zufrieden, sehr zufrieden“, sage ich und schreibe noch ein paar Sätze. In dieser Stadt könnte ich vor Glück weinen.

Münster, 2. Dezember. Ein Mann darf weiter auf seinem Balkon rauchen. Die Klägerin, die über dem Mann wohnt und langsam vergiftet wird, muss den Qualm ertragen. Nach dem Urteil ist in Münster Nienberge ein Zigarettenautomat von Wutbürgern gesprengt worden. Ein Schuft, wer hier einen Zusammenhang sieht.

Münster, 1. Dezember. Ich schaue mir gerne Tsunami Dokus oder Best Fail Videos an. Das macht mich schon zu einem sehr schlichten Menschen. Ein Mann, der vor eine Laterne läuft, bringt mich zum Lachen, die Riesenwelle macht so ein kribbliges Gefühl. Das ist sehr schlicht. Ich schäme mich.

Münster, 1. Dezember. Ich habe mir ein paar Turnschuhe gekauft. Für die Halle und für das Fitness Studio. Früher hatte man ein paar Schuhe für alles, heute braucht man für jeden Ort einen anderen Schuh, sonst kriegt man es im Rücken oder die Knie gehen kaputt. Trotzdem habe ich mir die Schuhe gekauft, weil ich ein paar Turnschuhe für den Sport brauche. Ich mache Sport. Ich halte mich fit. Und danach war ich heute noch in der Sauna. War auch gut. Ist gesund. Das AOK Magazin und die Apothekenrundschau beachte ich heute noch nicht, aber bald könnte ich Stammleser werden.



Der Kapitän und das Volk der Luxis


Winkekatze Vor den Türen tobte ein Höllenwetter, der Wind heulte in den Bäumen, die Äste schlugen gegen das Haus. Nur ein Gauner, der sich da jetzt draußen herumtreibt, dachte der Kapitän und grinste in seine Pulle Schnaps. Der Kapitän hatte heute Landgang und war bei der Schönen Frau. Mit seiner Pulle lag er in ihrer Wanne und ließ es sich gutgehen. Morgen musste er wieder weiter. Seine Fahrt ging in das Land der Luxis. Bei dem Gedanken an die Reise legte sich die Stirn des Kapitäns in Falten und sein Nackenhaar kräuselte sich. Wer waren diese geheimnisvollen Luxis? Der Kapitän wusste es nicht. In seinem Kapitäns - Buch hatte er wenig gefunden. Ein alter Seeweg wurde dort beschrieben. Am Ende des Weges gab es ein Volk mit König, las er in dem Buch. Viele Gauner und Piraten sollen sich dort rumtreiben, murmelt er in seine Flasche. Die paar Zeilen, die das Buch den Luxis widmete, klangen beunruhigend. Doch eigentlich wusste niemand wirklich etwas über das Volk. Die Wenigen, die zu den Luxis hinfuhren und wiederkamen, wollten nicht viel berichten. Aus Angst oder Scham, fragte sich der Kapitän und rieb sich sein Ohrläppchen, was er immer tat, wenn er nachdachte. Oder wegen der großen Reichtümer, die einem in dem Land erwarteten? Das tuschelte man auf den Straßen. Der Kapitän nahm einen tiefen Schluck aus seiner Schnapsflasche. Große Reichtümer hatten den Kapitän schon immer wie das Licht die Motten angezogen. Morgen würde er mehr wissen, dachte der Kapitän, aber heute war er bei der Schönen Frau. Sie würden zusammen „Das Traumschiff“ schauen und vielleicht vor dem Schlafen gehen noch eine Partie „Mensch ärger dich nicht“ spielen. Schon seit seiner Kindheit spielte er gerne dieses Brettspiel, es zeigte ihm, worauf es im Leben ankam. Man durfte sich nicht zu sehr ärgern.
Am nächsten Morgen hatte sich der Sturm gelegt. Die Schöne Frau hatte sich von ihm mit den Worten verabschiedet, dass er nicht wieder den großen Zampano spielen sollte. Er musste es ihr versprechen, bevor er in See stach. Natürlich wusste er, dass er das Versprechen nicht halten konnte. Er war der Große Zampano, aber eine schöne Frau sollte man nicht unnötig beunruhigen. Er segelte los und die Winde waren auf seiner Seite. Natürlich musste er den ein oder anderen Sturm durchqueren, Piraten im Niederrheinischen versuchten sein Boot zu kapern und ein riesiger Wal meinte, sich mit ihm anlegen zu müssen, aber ansonsten war die Überfahrt ruhig, fast zu ruhig für den Kapitän. Schon nach wenigen Tagen hatte er über die geheime Südpassage, die in seinem Kapitäns-Buch beschrieben wurde, das Land der Luxis erreicht. Sein Freund die Sonne legte sich gerade am Horizont zur Ruhe, als er im Hafen von Luxi Schloss, der Hauptstadt der Luxis, seinen großen Anker ins Wasser warf und anlegte. Neugierig betrat er das fremde Land. Hallo, spricht hier jemand meine Sprache, fragte er das Volk und ein unwirsches Gemurmel und Gefluche war die Antwort. Ein Greis, der augenscheinlich sich dem Genuss von Opiaten hingegeben hatte, zeigte zu einem Schloss, was auf dem höchsten Punkt der Stadt gebaut war. Schloss Luxi, murmelte der Alte in seinen zausligen Bart. Der Kapitän dankte dem Alten und machte sich auf den Weg. Schloss Luxi, hier musste der König wohnen, dachte der Kapitän und hielt es für eine gute Idee, diesem mal einen Besuch abzustatten.
Der Kapitän ging durch die Straßen von Luxi Schloss. Gleich merkte er, dass es ein sehr unglückliches Land war, das er erreicht hatte. Die Luxis fluchten sich gegenseitig an, überall kam es zu spontanen Streitereien und hier und da flogen nicht nur Wörter sondern auch Fäuste. Interessant, sagte der Kapitän und sog die neuen Eindrücke in sich auf. Man sollte den Luxis mal den Mund ausspülen, dachte er. Der Kapitän hörte Schimpfwörter, die sogar ihm, der schon so manchen Fluch gehört und überstanden hatte, die Röte ins Gesicht trieb. Als er in Luxi Schloss Schloss Luxi erreichte, erwartete man ihn schon. Eine Wache geleitete den Kapitän fluchend zum König. Was will der Penner, fragte der König die Wache, als man den Kapitän zu ihm brachte. Guten Tag, ich bin der Kapitän, sagte der Kapitän. Ein Fotzkopp bist du, sagte der König, entschuldigte sich aber gleich mit einer Geste beim Kapitän.
Jetzt wusste der Kapitän was los war. Die Luxis waren mit dem Fluch zu fluchen belegt. Sie fluchten auf Schritt und Tritt. Unter Flüchen bestätigte der König die Annahme des Kapitäns. Hilf uns, du Arschgeige, sagte das Oberhaupt. Der Kapitän lachte. Auf eine so unverschämte Weise war er noch nie um Hilfe gebeten worden. Er bat den König um ein wenig Ruhe zum Nachdenken und rieb sich sein Ohrläppchen, das er sich immer rieb, wenn er nachdachte. Und dann hatte er die Lösung. Wenn die Luxis in ihrer Sprache nur fluchen konnten, musste er ihnen eben eine andere Sprache beibringen. Durch seine Abenteuer hatte der Kapitän glücklicherweise so mache Sprache gelernt, so zum Beispiel das Englische, was er diesem Volk als neue Sprache empfahl. Der König fluchte begeistert über die Idee des Kapitäns, und er bat, ihm sofort die neue Sprache beizubringen.
Glücklicherweise waren die Luxis und ihr König sehr sprachbegabt und schneller als gedacht, sprach man das Englische im Land der Luxis und die Menschen konnten wieder zivilisiert und ohne Flüche miteinander umgehen. Die Liebe fand Einzug ins Land und neue Kinder wurden geboren. Das Volk der Luxis war gerettet.
Am letzten Tag vor seiner Abreise ging der Kapitän noch mal zum König, um sich zu verabschieden. Auf Luxi Schloss erwartet man ihn schon und denn man hatte ein Geschenk für ihn. Captain, oh Captain, we have a present, sagte der König, der mittlerweile ein wirklich gutes Englisch sprach, und sogleich kam der offizielle Geschenke-Verteiler von Luxi Schloss und überreichte ihm eine Schneekugel. Aber es war keine normale Schneekugel. Diese Schneekugel konnte einem, wenn man sie schüttelte, das Wetter vorhersagen. Nä, was ein Quatsch, dachte der Kapitän, der doch auf eher auf Gold und Geschmeide gehofft hatte. Das ist aber wirklich ein königliches Geschenkt, log er und bedankte sich höflich beim König, da er ein freundlicher Seebär war. Dann musste er aber wieder weiter. Schon viel zu lange war bei den Luxis geblieben. Es zog ihn zurück in den Heimathafen und zur Schönen Frau.
An einem Sonnentag, ja einem Sonntag, holte er seinen Anker ein, winkte den Luxis noch einmal zu und segelte los, und auch auf der Rückreise waren die Winde auf seiner Seite. Natürlich versuchte die ein oder andere Riesenwelle ihn zu ärgern, klar waren auch wieder Gauner und Seeräuber im Niederrheinischen unterwegs, aber bis auf einem Lamy, einem eigentlich ausgestorben geglaubten Riesentintenfisch, verlief die Überfahrt ruhig, fast zu ruhig für den Kapitän. Schneller als gedacht, kam er wieder in seine Heimat an und nahm voller Zuneigung die Schöne Frau in seine Arme.
Der Kapitän
Der Kapitän in der Wanne
Jetzt lag er wieder mit einer Pulle Schnaps in der Wanne der Schönen Frau. Draußen tobte ein schlimmer Sturm, Äste wurde gegen die Fenster geschleudert. Nur ein Schurke treibt sich bei so einem Wetter draußen herum, sagte der Kapitän und grinste in seine Pulle. Dann nahm er die Schneekugel und rüttelte sie. Die Schneekugel sagte ihm, dass er sich morgen auf Sonne und Grillwetter freuen durfte. Klasse, dachte der Kapitän und beschloss gleich mal ein wenig Riesentintenfisch aus der Kühl-Truhe zu holen. Noch zwei Tage war er im Heimathafen, da war ein kleines Grillfest mit der Schönen Frau doch etwas Feines. So erwiese sich im Nachhinein die Schneekugel als ein wirklich königliches Geschenk.



Bauernfänger in Berlin - Wurst für 1,35 €


Winkekatze Freitag, 10 Uhr , Berlin Alexanderplatz. „Ach, wo ist der Frühling hin“, denke ich und gehe zu dem Bratwurststand vor dem S-Bahn Eingang. 1,35 € kostet hier die Bratwurst im Brötchen, ein Schnäppchen, aber das schmeckt man auch. Immerhin haut man die Wurst nicht auf ein Stück Pappe und bietet weißes Toastbrot. Das ist aber auch der einzige Lichtblick an dem Stand. In Köln zum Beispiel gibt es einen festen Stand im Bahnhof, wo man Wurstpappe und Toastbrot aus dem Eimer bekommt. Keine schöne Geschichte, das sage ich Ihnen. Aber die Wurst ist in Ordnung, und sie bieten noch neben der Bratwurst, Brüh- und Mettwürstchen an, aber eben auf Wurstpappe. In Münster am Haupteingang vom Bahnhof machen sie eigentlich alles richtig. Aber heute morgen war die Wurst alt und das Brötchen pappig. Nächste Mal werde ich mir die Ware vorher zeigen lassen. Ich werde sagen: „Guten Tag, Andreas Weber mein Name, ich würde gerne mal meinen Finger in ihr Brötchen stecken, ich möchte wissen, ob die frisch sind.“ Da wird man sicher begeistert von sein. „Klar, stecken sie doch auch noch mal in die anderen Brötchen einen Finger. Oder möchten sie sich gerne mal an unseren Pommes reiben, unsere Kartoffelscheiben lieben es.“ In Dortmund gibt’s am Bratwurststand auch Fischbrötchen. Die Bratwürstchen werden bei diesem Gourmettempel schon vorgebraten und frisch aus der Mikrowelle mit einem kalten Aufbackbrötchen serviert. Die Fischbrötchen sehen auch schon älter aus. Die wenigsten Reisenden bleiben hier für eine Wurst stehen. Vielleicht nach einem Fußballspiel? Mit besoffenen Kopf frisst man ja alles. Fast alles. Sicher auch diese 1,35€ Würstchen am Alexanderplatz. Mir ist auf jeden Fall schlecht von dem Teil, und ich rate Ihnen bleiben sie solchen Nepper, Schlepper, Bauernfänger Angeboten fern. Ich kann ihn da andere Sachen erzählen, da würde sich ihre Urgroßmutter im Grab herum drehen und HErües bekommen, solche schlimmen Sachen sind das. Ich erzähle jetzt aber nichts mehr. Ein anderes Mal vielleicht.



Über Riesenkaninchen


Winkekatze (10.3)Gestern waren wir mit den Nachbarn auf einen Bauernhof. Ein netter Sonntagsausflug mit dem Fahrrad. das ist doch schön, sagten alle. Auf dem Hof gab es ein Café, wo es sogar noch Kännchen gab und in einem Tante Emma Laden konnte man direkt Eier und Kartoffeln einkaufen. Höhepunkt waren aber die Hof-Tiere. Auf dem Hof konnte man verschiedene Tiere, die auf so einem Bauernhof leben, angucken, unter anderem ein Riesenkaninchen. Was kaum jemand weiß und mir auch fremd war, Riesenkaninchen sind mit den Seekühen verwandt. Vor sehr langer Zeit haben sie allerdings das Meer verlassen und ihr Zuhause auf den grünen Auen gesucht. Genauso wie die Seekuh sind sie nicht in der Lage sich an Land fortzubewegen. Leider können sie aber auch nicht wie die Seekuh schwimmen, was für das Riesenkaninchen einen nicht zu unterschätzenden Nachteil in der freien Natur darstellt. Darwin sprach hier von einer angeborenen Opferrolle. Auch mit der Seekuh und dem Riesenkaninichen ist der Bassit verwandt. Viele Menschen glauben, dass der Bassit ein Hund sei, das ist aber falsch. Der Bassit zählt zu der Familie der Riesenkaninchen. Erst durch harte Züchtigung zur Römerzeit wurde aus dem Riesenkaninchen der hundeähnliche Bassit. Riesenkannichen und Bassit können, so las ich später, nur mit Hilfe anderer Säugetiere – in den meisten Fäller Menschen – überleben. Ein mitleidiger Blick und ein etwas töpelhaftiges Aussehen wird für viele Säuger als Schlüsselreiz empfunden, Seekuh, Bassit und Riesenkaninchen mit Möhrchen und ähnlichem zu füttern.



Brokkoli, Freunde. Brokkoli


Winkekatze (5.2) In der Tageszeitung hab ich gelesen, dass Brokkoli insgesamt super ist. Da kannst du den Krebs mit besiegen und kriegst schöne Haut. Ich hab das wirklich versucht mit der ganzen Gesundheit und dem vielem Gemüse und regelmäßig Essen. Fünf gesunde Mahlzeiten. Rituale schaffen, sagt man. Das hilft. Bin sogar morgens joggen gegangen, für den Rücken ins Studio. Hab mir die ein oder andere Zigarette verkniffen, weniger getrunken. Brokkoli Freunde. Brokkoli. Ne, wirklich super, sollte man machen. Das macht eine schöne Haut und fit im Kopf. Und ich? Ich hab Pickel und den Geburtstag von Mutter vergessen. Kriege ich wohl auch nicht mehr weg, die Pickel. Aber an den Geburtstag denke ich nächstes Jahr. Ach Nscho- Tschi, mit dir fing die ganze Sauerei doch erst an.



Winkekatze


Winkekatze Ein Freund sagte, eine Winkekatze führt zu Wohlstand, also Reichtum. Das ist so ein Chinesending, sagte er. Der Chinese setzt sich eine Winkekatze in das Schaufenster seines Ladens und dann kommen die Kunden. Die Katze winkt die Kunden herbei. Natürlich ist das Aberglaube, aber es kann nicht schaden. Ich hab mir auf jeden Fall drei Winkekatzen gekauft, um ganz sicher zu gehen.



Dschungelcamp


Ich schau nicht das Dschungelcamp, finde ich langweilig. Die Zusammenfassungen kriege ich natürlich mit. Das reicht ja auch, wenn man die Knaller sieht. Ich frage mich, für wie viel Geld ich dahin gehen würde. Wenn man mir 100 000 Euro bieten würde, müsste ich nicht lange überlegen. Dafür würde ich den Flug sogar selber bezahlen. Bei 10 000 würde ich schon schlucken, aber 10 000 Euro in drei Wochen sind auch nicht wenig. Danach wäre ich natürlich für lange Zeit der Idiot, aber ich gewinne sicher neue Freunde. So viel ändert sich dort nicht. Natürlich danach mehr Koks, Huren und Formel 1. Trotzdem 10 000 ist zu wenig. Für 100 000 nehme ich das in Kauf. Also dafür mache ich es auf jeden Fall. Ansonsten können wir aber auch noch mal drüber reden.
Über Weihnachtsbäume

Das Plastik-Dings
Der Weihnachtsbaum zu Berlin
Dienstag, 6. Januar. Münster. Mein Vater sagte immer: „An dem Weihnachtsbaum eines Mannes erkennst du seinen Johannes.“ Er hatte jedes Jahr den prächtigsten und größten Weihnachtsbaum in der Nachbarschaft. Meinem Vater war es sehr wichtig, was die Nachbarschaft über seinen Johannes dachte. Ich laufe durch die Straßen Münsters, die Weihnachtszeit ist vorbei und überall schmeißt man glücklich seinen nadelnden Baum auf die Straße. Genug ist genug, denkt man und freut sich auf die Karnevalszeit, die bald beginnt. Den größten Weihnachtsbaum habe ich dieses Jahr in Berlin gesehen, denke ich, während ich einem Baum ausweiche, der knapp an mir vorbeifliegt. Im Hauptbahnhof stand das Plastik-Dings und war mit seinen ganzen Lichtern ein wahrer Hingucker. Nicht wenige posierten vor dem Baum, schossen Fotos, machten Selfies von sich und dem Baum, der eigentlich gar keiner war. Mein Vater hätte über das Plastikdings gelacht. Ein wahrer Christbaum ist nicht aus Plastik. Ein wahrer Christbaum ist eine Nordmanntanne. Ein Weihnachtsbaum ist auch nur ein echter Weihnachtsbaum, wenn er mit Wachs-Kerzen beleuchtet ist. Und ein wahrer Weihnachtsbaum sieht nicht aus wie eine Schießbude. Denn wisset: Am Weihnachtsbaum eines Mannes erkennt man seinen Johannes. Für meinen Vater war der Weihnachtsbaum mehr als nur Zierrat. Die Wahl des Baumschmuckes war für meinen Vater eine Frage, die ihn Monate beschäftigte. Kugeln, Lametta, Sterne und Kerzchen wurden geprüft, verglichen, getestet, gekauft. Kataloge gewälzt, Prospekte bestellt. Stand der Baum, wurde erst einmal eine Fotoserie geschossen und alles genau dokumentiert. Baum von rechts, Baum von links, von hinten, von vorne.
Als ich einmal mit meiner neuen Freundin bei meinen Eltern war - sie hatten uns sonntags zu Kaffee und Kuchen eingeladen, um meine heiße Liebe auch einmal kennenzulernen - holte mein Vater die Fotoalben heraus. Natürlich dachte meine neue heiße Liebe, dass sie jetzt süße Kinderfotos zu sehen bekommt. Aber weit gefehlt. In der nächsten Stunde wurden ihr die Weihnachtsbäume der Familie Weber aus den verschiedenen Jahrgängen präsentiert. Roter Baumstuck, Weißer Baumschmuck, das traditionelle Jahr, als er eher mit Strohsternen und Äpfeln arbeitete, die Lametta Jahre in den Achtzigern, woran er gar nicht gerne zurückdachte. Ein Baum wie eine Discokugel. Stolz zeigte mein Vater seine Bäume. "Liebes Mädchen, am Weihnachtsbaum eines Mannes erkennt man seinen Johannes", sagte mein Vater und lachte, dass die Kaffeetafel nur so wackelte. Einen Plastikbaum hätte es für meinen Vater auf jeden Fall nicht gegeben. Ein Plastikbaum war für ihn das Gleiche wie Bratwürstchen auf dem Elektrogrill. Kann man machen, aber man kann auch ins 25 Meter Becken der städtischen Badeanstalten kacken. Es ist eben doch leicht asozial. Womit wir wieder bei dem Baumersatz im Berliner Hauptbahnhof sind. Er ist eben auch leicht asozial. So asozial wie 1,5 Liter Flaschen Zero Cola und Waschmittelfässer voller Gut & Günstig Paprika Chips. Arm aber sexy, sagen die Berliner über sich. Am Weihnachtsbaum eines Mannes erkennt man seinen Johannes, sagte mein Vater. Der Berliner hat scheinbar ein größes Problem, als wir alle dachten.


Von Finke

U Bahn Treppe München
Jubelpreise im Möbelhaus

Sonntag, 10 Uhr. Draußen stürmt ein Sturm, die Blätter blättern, Fräulein Scholz und ich frühstücken Frühstück und in der Sonntagszeitung „kaufen und sparen“ liegt eine Einladung des Möbelhauses Finke bei. 55 Jahre Möbelhaus Finke. Feiern sie mit uns. 55 Prozent auf viele Produkte. 55 Tage zinsfreier Kredit. 55 Spitzenangebote zu 55 Spitzenpreisen. Neben dem verkaufsoffenen Sonntag verspricht ein breites Eventprogramm wie die Top 40 Band Helena Tischer, der Zauberclown „Lach dich weg“und das Kinderparadies „Flieg Marienkäfer, flieg“ einen unvergesslichen Tag. „Wer besucht denn so was“, fragt Fräulein Scholz und beißt aggressiv in ihr Brötchen. „Da werden sich schon 55zig Dumme finden“, sage ich und suche auf dem Frühstückstisch nach der Rotwurst. „Ein paar Dumme gibt es immer, sagt Fräulein Scholz und weist mich darauf hin, dass sie gestern nacht die Rotwurst aufessen musste. „Du weißt doch wie ich auf Rotwurst reagiere“, versucht sie sich zu erklären. Ich nicke. Ich weiß.
11 Uhr. Fräulein Scholz und ich sind Richtung Möbelhaus aufgebrochen. Nur mal kurz vorbeischauen, wer sich so etwas antut. Jetzt stehen wir im Stau fünf Kilometer vor dem Möbelhaus. Ab der Autobahnabfahrt ist kein durchkommen mehr. Fräulein Scholz sagt, dass sie nicht versteht, wie man so schlicht sein kann, sich so etwas an einem Sonntag anzutun. Den ganzen Tag im Stau stehen, nur um ein Möbelhaus zu besuchen. Hätten wir das vorher gewusst, wären wir sicher nicht aufgebrochen. Wir wollten ja nur mal schauen. Wir machen so etwas eigentlich nicht. Im Verkehrsfunk sagen sie, dass es in NRW nur zwei Staus gibt. Der eine auf der A40 auf Grund eines umgekippten Schwertransporters und der andere in Münster vor dem Möbelhaus Finke auf Grund eines verkaufsoffenen Sonntags.
14 Uhr. Wir haben tatsächlich nach einigen hitzigen Auseinandersetzungen einen Parkplatz gefunden. Auf dem Parkplatz vor dem Möbelhaus herrscht deutsche Urlaubermentalität, für einen begehrten Parkplatz fliegt auch mal eine Faust. Jetzt stehen Fräulein Scholz und ich beim einem Bratwurst Stand, der eine sogenannte „Volks-Bratwurst für 3 Euro anbietet und zwei Volks Würstchen zum Jubiläumspreis von 5,55 Euro. „Wer kauft denn zu diesem Preis eine Wurst? Wucher ist das", sagt Fräulein Scholz und bestellt mir und sich Bratwurst im Brötchen. "Mit viel Senf und gerne ein Brötchen extra", sagt sie der Verkäuferin, die offensichtlich auch ganz gerne mal ihre Volkswürstchen nascht oder Stoffwechselprobleme hat. "Brötchen extra 55 Cent", sagt die Verkäuferin. "Ist das Brötchen vergoldet?“, fragt Fräulein Scholz böse. „Dann nur viel Senf und bitte eines von den oberen Volkswürstchen. Nicht die kleinen Dinger.“ Normalerweise würden Fräulein Scholz und ich niemals an seiner Bude für 5,55 Euro eine Bratwurst kaufen und schon gar keine Volkswurst - wir können auch kein Geld kacken, sage ich immer - aber nach der langen Parkplatzsuche brauchen wir eine kleine Stärkung.
15 Uhr. Fräulein Scholz und ich stehen vor der Showbühne, die direkt am Eingang zum Möbelhaus aufgebaut wurde. Die Helene Tischer Top 40 Band spielt wie nicht anders zu erwarten, Lieder von Helene Fischer. Fräulein Scholz rümpft angewidert das Näschen. "Wie kann man sich nur so ein Scheiß anhören", sagt sie und reicht mir den Prosecco, den sie uns beiden zu einem viel zu teuren Preis besorgt hat. „Das ist alles der gleiche Schlag von Mensch hier“, sage ich und proste Fräulein Scholz zu. Wir sind froh, anders geschnitten zu sein. „Das hat was mit Bildung zu tun“, sagt Fräulein Scholz und ich stimme zu. Trotzdem singen wir hier und da ein paar Lieder mit. Man möchte auch nicht unangenehm auffallen und jetzt müssen wir das beste aus dem Tag machen.
17 Uhr. Den Zauberclown „Lach dich weg“ haben wir verpasst, wo keiner traurig drum ist. Von sehr schlichten Möbelhausbesuchern erfahren wir, dass er gerade ärztlich versorgt wird. Scheinbar hat er einem Kind den Luftballon weggezaubert, was aber nicht so gut funktionierte. Das Kind war natürlich wenig erfreut und hat seinen Vater gerufen und der hat dem Zauberclown dann mal richtig einen gezaubert. „Ich hasse Gewalt, aber manchmal ist es einfach das einzige Weg“, sagt Fräulein Scholz und gibt für uns alle eine runde Prosecco aus, gerade ist Happy Hour und Prosecco kostet nur 55 Cent. 18 Uhr. Die 55 Top Produkte zu 55 Spitzenpreisen im Möbelhaus Finke sind natürlich nur Ladenhüter: Klobürsten, Seifenschalen und billige Plastikblumen werden rausgehauen. Nur weil wir gerade hier sind und nicht auffallen wollen, schlagen wir auch zu. So eine Klobürste verkommt ja nicht, Teelichter kann man auch immer gebrauchen.
19 Uhr. Wir sind auf dem Heimweg. Fräulein Scholz und ich stehen wieder im Stau und lachen über die Blödheit dieser Möbelhausbesucher. Das wir noch die Ecksofa-Landschaft „Il Sogno D´oro“ gekauft haben, war vielleicht ein Fehler und normalerweise machen wir so etwas auch nicht. Aber wir wollten eben nicht zwischen den ganzen schlichten Menschen auffallen, uns wie sie geben.
Später an der Tankstelle findet Fräulein Scholz noch ein wenig Rotwurst. „Du weißt doch wie ich auf Rotwurst reagiere“, versucht sie sich zu erklären. Ich nicke. Ich weiß. Rotwurst eben.


Herr Weber jammert über die Welt


4.8.2014 // „Wir nehmen großen Anteil am Schicksal der Münsteraner,“ sagt Zoodirektor Adler heute in der lokalen Tageszeitung und bietet allen Unwettergeschädigten einen Zoobesuch zum ermäßigten Preis von zehn Euro an. Man sagt einfach an der Zookasse, dass man unwettergeschädigt ist und schon kann man, um die Nöte zu vergessen, für ein paar Stunden Elefanten und Bären gucken. Denn wisse: Ein Elefant macht noch keinen trockenen Keller, aber er heitert das Gemüt auf. Gäbe es doch mehr Menschen wie Herrn Adler. Apropros Waterboarding. Wir haben einige Leute gefoltert, erklärte gestern Obama vor der Presse. Neben ins Wasser döppen, wurde auch das laute Abspielen von Heavy Metall Musik als verbesserte Verhörmethode eingesetzt. Das ist natürlich der Knaller. Abgesehen von Menschen wie meinen geschätzten Lesebühnenkollegen Micha El Goehre, der sich auch gerne mal in den Keller setzt, um sich selber eine „verbesserte Verhörmethode“ zu verpassen, können wir nur wir nur weinen, wenn wir so was hören. Zoodirektor Adler nimmt sicher auch großen Anteil am Schicksal dieser Opfer. Aber man muss vor der eigenen Haustür den Dreck wegmachen, ermässigten Eintritt gibt es nur unter dem Stichwort „Unwetter“ und natürlich für Kinder unter vierzehn Jahren. Micha El Goehre könnte aber sein Buch „Höllenglöcken“ für einen schmaleren Kurs an alle Verhörgeschädigten abgeben. Unter dem Stichwort „Metal - Frosch“ würde ich einen Rabatt von fünfzehn Prozent als angebracht empfinden. Denn wisse: Höllenglöcken kann man nicht essen, aber es ist ein unterhaltsames Gut. Aber unser Schreib- Bienchen ist leider nicht so ein Fuchs wie der Adler und so gibt es heute nur Bären und Elefanten und keine Metal - Frösche zum halben Preis.


Über Lustmolche

U Bahn Treppe München
Der Molch auf der Treppe

„Guck mal, Herr Weber, ist das ein Lustmolch?“, fragte mich letztens eine Freundin und zeigte auf das schöne Exemplar, das ein paar Meter weiter auf einer Treppe lag. Wir waren im Urlaub, ein paar Tage an der Küste Ostfrieslands, als wir auf das Tier stießen. „Ja, es ist wieder soweit“, sagte ich. „Ende April, Anfang Mai beginnt es wieder. Die Schwanzlurche, die wir in Molch und Salamander unterteilen, ziehen wieder Richtung Gewässer zum Werben, zur Fortpflanzung und Eiablage. Unter ihnen ist der Teichmolch sicherlich der Bekannteste“, erklärte ich der Freundin. Sie nickte, vom Teichmolch hatte sie schon mal gehört. „Der Größte unter ihnen ist aber der Lustmolch. Er kann eine Körpergröße von über zwei Meter erreichen und es wurden schon Exemplare gesichtet, die über hundertzwanzig Kilo wogen. In Amerika soll es sogar einen Prachtburschen gegeben haben, der über zweihundert Kilo auf die Waage brachte.“ „Echt? Das ist aber fett“, sagte sie und kicherte über die Vorstellung an den schweren Lustmolch. „Echt“, sagte ich und wir näherten uns dem prächtigen Exemplar auf ein paar Meter, damit wir es besser beobachten konnten. „Aber Obacht, meine Liebe! Größe und Gewicht führen nicht selten dazu, dass wir den Lustmolch als Bedrohung empfinden. Hinzu kommt noch, dass der Lustmolch kaum natürliche Feinde hat. Anders als seine Artgenossen, Berg- und Teichmolch, muss er sich nicht vor Vögeln fürchten. Und so beginnt jetzt die Zeit, wo es an den Seen und Stränden nur so von Lustmolchen wimmelt.“ Die gute Freundin erschauderte bei der Vorstellung der zahlreichen Lustmolche am Strand. „Keine Angst. Mit ein wenig Verständnis kannst du den Lustmolch gut erkennen. Wie alle Molche legt auch der Lustmolch in Gewässernähe seine Landtracht ab und beginnt sein Werben. Dank der Wissenschaft wurde sein Werben gut beschrieben. Der Lustmolch tänzelt durch das flache Wasser, präsentiert sich dem Weibchen“, erklärte ich ihr. „Hat er die Aufmerksamkeit eines Weibchens erst einmal erregt, nähert er sich ihr und präsentiert sein Gemächt in voller Größe. Auch - und das ist einzigartig unter den Schwanzlurchen - versucht er das Weibchen durch kleine Geschenke, nicht selten berauschende Beeren von seinen Qualitäten zu überzeugen. Im Gegensatz zu dem Teichmolch, der durch peitschenartiges Wedeln seines Schwanzes Sexual-Duftstoffe absetzt, versucht der Lustmolch durch diese kleinen berauschenden Mitbringsel das Weibchen zu betören.“
Der Kapitän
Zwei Molchweibchen kurz vor der Eiablage
Die Freundin grinste. „Fast wie beim Menschen“, sagte sie und ging noch einen Schritt näher Richtung Lustmolch. „Ja allerdings“, bestätigte ich und plauderte weiter aus meinem zoologischen Nähkästchen. „Nicht selten kommt es vor, dass ein Lustmolch sich an echte Urlauberinnen heran macht. Viele haben hier schon böse Überraschungen erlebt.“ Die Freundin guckte angeekelt. "Das ist ja widerlich", sagte sie und war trotzdem so fasziniert, dass sie sich dem Lustmolch noch einen Schritt näherte. „Ja, ja. Geh da mal nicht zu nahe ran“, warnte ich und hielt sie fest, damit sie sich nicht in Gefahr begab. „Wenn das Weibchen jedenfalls auf das Werben des Lustmolchs eingeht, wedelt der Lustmolch wellenartig mit seinen Schwanz und sucht die Berührung mit dem Weibchen und ihrer Kloake. Hierbei kommt es dann zur Ausschüttung eines Samenpakets, das das Weibchen in ihre Kloake aufnimmt.“ „Kloake, das ist ja widerlich“, unterbrach die gute Freundin meine Ausführungen. Ich lächelte über ihre Unwissenheit. „Wir Menschen verstehen etwas anderes unter Kloake als die Schwanzlurche im Allgemeinen und der Lustmolch im Besonderen,“ beruhigte ich sie. „Trotzdem ist die biologische Nähe des Lustmolchs zum Menschen bemerkenswert, so dass mancher Molchkundige auch schon die Evolutionsgeschichte umschreiben wollten. In Russland haben sie sogar versucht, einen Lustmolch mit einem Menschen zu kreuzen. Das Ergebnis möchtest du nicht wissen.“ „Ne, möchte ich wirklich nicht“, sagte sie und lachte bei der Vorstellung. „Halb Molch halb Mensch, das will ich wirklich nicht sehen“, meinte sie. Plötzlich drehte sich der Lustmolch ein wenig um und schaute die Freundin neugierig an. Wir erschraken und sprangen einen Schritt zurück. Als wir uns vom ersten Schrecken beruhigt hatten, meinte sie, dass er aber ganz bezaubernde Augen hätte. Ich nickte. „Schöne Augen machen, das können sie“, flüsterte ich nachdenklich. "Komm, wir gehen lieber", sagte ich und zog die Freundin weg. Ich wollte uns und vor allem sie nicht unnötig in Gefahr bringen.
Das meine Befürchtungen nicht ganz unbegründet waren, zeigte sich am Abend. Wir saßen im Hotel an der Bar und hier gab es nur ein Thema. Das verschwinden einer älteren Dame aus Wipperfürth, die mit ihrem Stammtisch Urlaub an der Küste machte. Nachmittags war sie alleine zum Strand gegangen und nicht wieder aufgetaucht. Ein Hotelgast meinte, er hätte sie noch am Strand von Weitem gesehen. Ein fremder Mann tänzelte komisch um sie herum. Meine Begleitung und ich guckten uns vielsagend an. Leise flüsterte ich ein paar Zeilen des alten Goethe: "sind das molche im gesträuche? lange beine, dicke bäuche!" Wie auch immer: Es schien, als ob wieder einmal eine einfache Urlauberin auf das Werben des Riesenmolches, dieses faszinierenden Schwanzlurches, hereingefallen war. Jetzt konnte man nur noch hoffen und beten.


Ost - Ochsentour

U Bahn Treppe München
Freitag, 15 Uhr. Luftkurort Bad Oeynhausen. Mit meinem vielbesprochenem Werk "Herr Weber auf Safari" bin ich auf Lesetour. Ich fahre mit meinem Auto die A30 entlang und durchquere den Luftkurort Bad Oeynhausen. Die Stadt wirkt auf den Betrachter wie eine Kulisse aus einem Arthouse Film, also so einem sehr düsteren, langweiligen Arthouse Film. Alles ist grau, verrottet und alt. An der A30, die mitten durch den Ort führt, haben Spielhallen, Orion-Videokabinen, Tankstellen, Import-Export Firmen und Gebrauchtwarenhändler ihr zu Hause. Gerüchte behaupten, dass man durch stetige Medikamentenzugabe ins Trinkwasser ihren Bewohner glauben machen will, dass sie in der schönsten aller Städte wohnen. Das ist gelogen. Niemand bei Verstand wird Bad Oeynhausen als eine schöne Stadt erklären. Weitere Gerüchte behaupten, dass die Gesundheitskassen die Alten und Kranken, für die sie nicht mehr weiter die Behandlungskosten tragen wollen, nach Bad Oeynhausen zur letzten Kur schicken. Hier ist Endstation. Ich denke, dass ist auch gelogen, aber ich sehe trotzdem zu, dass ich schnell aus dem Loch rauskomme.
Freitag, 23 Uhr, im Osten. Bei Samuel ist es immer nett. Samuel ist Veranstalter im Osten und hat mir ein paar Lesungen besorgt. Ich hab ein Buch geschrieben, „Herr Weber auf Safari“ heißt es und ich bin damit auf Tour. Jedenfalls ist das so ein Freundschaftsding mit den Lesungen, weil reich wird er damit sicher nicht. Ich bin gerne bei Samuel. Wir reden viel gutes Zeugs, rauchen gutes Zeugs und oft wird es sehr spät. Den frühen Vogel sehen wir meistens noch, bevor wir die guten Gespräche abbrechen. Gerade hat mir Samuel erzählt, dass er Jude ist. Mir fällt auf, dass Samuel der einzige Jude ist, den ich persönlich kenne. Ich frage mich, ob er beschnitten ist. Ich glaube, daran kann man einen Juden erkennen. Allerdings kenne ich auch viele, die sich wegen der Hygiene beschneiden ließen. Manche sagen auch, der Sex sei besser. Man spürt mehr, erklären sie stolz. Vielleicht kenne ich neben Samuel auch noch mehr Juden und weiß es einfach nicht. Kannst den Leuten ja auch nicht in die Hose schauen. Möchte ich auch gar nicht. Es ist mir eigentlich auch völlig egal, ob jemand Jude ist. Ich laufe ja auch nicht durch die Gegend und erzähle jedem, dass ich Römisch-Katholisch bin. „Guten Tag, Weber mein Name. Ich bin Römisch-Katholisch und nicht beschnitten. Die Hygiene stimmt aber trotzdem.“ So was erzähle ich nicht und ich will auch von keinem anderem solche Geschichten hören.
Samstag, 20 Uhr, Dessau. Die Menschen sind hier alle sehr traurig. Das liegt an ihrer hässlichen Stadt. Die Kinder wissen natürlich noch nicht, dass es andere Städte gibt, die nicht so hässlich sind, aber auch sie ahnen schon, dass mit ihrer Stadt irgendwas nicht stimmt. Die Straßen sind voll von Menschen, die dem Alkohol frönen, Gewalt gegen Tiere ist an der Tagesordnung, aber die Einwohner lassen ihre Wut auch an toten Gegenständen aus. So habe ich erst gerade einen Mann beobachtet, der immer wieder und wieder seinen Kopf gegen ein Steinwand schlug. Es war wirklich sehr herzzerreißend.
Die Dessauer sind sehr stolz auf ihr Bauhausmuseum. Sie müssen mal unser Bauhausmuseum besuchen, sagen sie. Da ich niemanden verletzen möchte - ich bin Gast in dieser Stadt - sage ich nicht, dass ich Bauhaus scheiße finde.
Ich lese in der einzigen Gastwirtschaft in der Stadt. Sie heißt „Zum treuen Ochs“ und ist Treffpunkt für jung und alt. Ich habe vier Gäste: Eine fünfzehnjährige Mutter, ihre zwei Kinder und eine alte Frau, welche die ganze Zeit nach ihrem Eberhart schreit, der sie im Krieg verlassen hat. Wir trinken Selbstgebrannten, weil es hier nichts anderes gibt und ich lese aus meinem Buch „Herr Weber auf Safari“. Nach fünfzehn Minuten breche ich mein Programm ab, da alle weinen sind und ich den Schmerz nicht länger ertragen kann.
Sonntag, 20 Uhr, in der Heimat von Otto dem Großen. Am Abend lese ich in Magdeburg aus meiner Bibel „Herr Weber auf Safari. Der Jude Samuel sagt, wenn ich nach Magdeburg komme, soll ich bloss ihren Stadtnamen richtig aussprechen. Die Magdeburger sind sehr sensibel, erklärt er mir. Traurig, denke ich und beschließe, vor der Lesung im Supermarkt Bananen einzukaufen und sie an das arme Stadtvolk zu verteilen. Samuel meint, dass das sicher eine gute Idee sei.
Während meiner Lesung tuscheln zwei Frauen miteinander. Die Eine meint, dass meine Texte ekelig sind. Der redet ja nur über seinen Penis, sagt sie und schüttelt verständnislos den Kopf. Die Andere ist nicht so ignorant, auf jeden Fall lächelt sie die ganze Zeit wie ein Honigkuchenpferd zu mir rüber und rutscht interessiert auf ihrem Stuhl herum. Ich beschließe, ihr in der Pause eine Banane zu schenken und ihr eine Brieffreundschaft mit dem Autor des Buches „Herr Weber auf Safari“ in Aussicht zu stellen.
Zwei Stunden später stelle ich fest, dass die Bananenidee nicht so gut war. Überstürzt muss ich die Stadt verlassen. Der Magdeburger an sich ist undankbar und böse, denke ich und fahre an dem Ortschild „Magdeburg – Stadt Otto des Großen“ vorbei. Wenn es wenigstens Karl der Große wäre, aber Otto der Große. Niemand interessiert sich für diesen Otto. Sogar ich, Dichter und Denker, Verfasser des Meilensteins „Herr Weber auf Safari“ kann kein Gefallen an diesem Otto finden. Ach, Magdeburg, du traurig Alte.
Sonntag, zwei Uhr nachts. Auf dem Rasthof Lehrte-See treiben sich Huren rum. Vor dem Sanifair Häuschen warten schon die LKW Fahrer und gucken ungeduldig auf die Uhr. Eine Frau im kurzen Schwarzen, fragt mich, ob ich auch mal ran möchte. Aber ich möchte nicht ran, ich winke hektisch ab. „Ne, ne“, sag ich verlegen. „Nur eine kurze Rast.“ Die Frau berlinert hemmungslos, das ist nicht sehr erotisch. Arme Hauptstadt, denke ich und schaue hinter ihr her. Seine Frauen müssen nachts bis nach Lehrte-See, um zu arbeiten. Das ist alles sehr traurig. In Bonn war damals alles besser. Früher war sowieso alles besser, denke ich und gehe nachdenklich zu meinem Auto zurück. Ach früher...
Bevor ich weiterfahre mache ich noch ein paar Kniebeugen und Dehnübungen. Ein wenig Sport ist sehr wichtig, wenn man die ganze Nacht hinterm Steuer sitzt. In meinem AOK Gesundheitsmagazin sagen sie, dass man dadurch auch verhindern kann, Rücken zu bekommen. Wer mal Rücken hatte, weiß von den Schmerzen. Das sind Schmerzen, die man nicht seinem schlimmsten Feind wünscht. Ich übertreibe. Den schlimmsten Feinden wünscht man schon Rücken, denen wünscht man sogar die Pest an den Hals oder einen Wespenstich auf der Eichel.
Wieder auf der Autobahn überlege ich, ob ich doch noch mal umdrehen soll. Wegen den Berliner Frauen, meine ich. Glücklicherweise ist das Umdrehen, das Wenden auf Autobahnen nicht so einfach. Wer das mal versucht hat, weiß was ich meine. Ich schäme mich noch ein paar Meter für meine Gedanken an die Berliner Damen, dann hab ich sie aber auch schon wieder vergessen.


Obacht! Wurstpappe versus Wurst im Brötchen

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Mittwoch, 14 Uhr. Münster. Die Sonne strahlt und ich mit ihr. „Eine Bratwurst im Brötchen bitte“, sage ich zur Meisterin, zur Dame vom Grill und gucke gespannt auf ihr Rost, welches ihrer Würstchen für mich bestimmt ist. Ich stehe vor dem Bahnhof, warte auf meinen Zug und nutze die Zeit, ne Bratwurst zu essen. Das mache ich fast immer so, „Bratwurst essen“ ist für mich ein wichtiger Bestandteil auf Bahnreisen. Was für andere der Hot Dog bei IKEA , das Pils beim Fußball, ist für mich die Bratwurst auf Bahnhöfen. „Senf oder Ketchup“, fragt die Chefin hinterm Grill. „Senf, meine Liebe. Natürlich Senf“, sage ich und beiße ein paar Sekunden später in meine heiße Wurst, eine leicht gebogene, von beiden Seiten konstant gegrillte Wurst. 2,60 € in Münster. Ein stolzer Preis, aber eine gute Wurst hat eben ihren Preis. Fast in jeder größeren Stadt gibt es am Bahnhof einen Wurststand. Mal wird nur im Ein-Mann Betrieb die Bratwurst angeboten, mal gibt’s noch Brühwurst, Mettwurst oder sogar Krakauer. Alles lecker. Kann man alles machen. Aber Obacht! Ein guter Bratwurststand sollte aber auf jeden Fall das Bratwürstchen im Brötchen anbieten. Sollte der Stand diese Grundregel nicht erfüllen, rate ich, zum Weitergehen. Nur das Würstchen im Brötchen erlaubt es dem Reisenden, die Bratwurst zu essen und gleichzeitig sein Gleis zu suchen oder eine Fahrkarte zu kaufen. Eine Bratwurst auf Pappe, vielleicht noch mit einer ungetoasteten Scheibe Toast und einem viel zu großen Haufen Senf, schränkt die Mobilität sofort ein. Da müssen sie sich gleich einen Rastplatz suchen, wo sie ihre Wurst in Ruhe verzehren können und wehe dem, der das nicht macht. In Köln am Bahnhof zum Beispiel wird die Wurst auf ein Stück Pappe angeboten. Ich will nicht schlecht über die Wurst reden, auch wenn ich bessere, sehr viel bessere, kenne. Als ich letztens jedenfalls eine Wurst an diesem Stand aß, musste ich plötzlich, da ich beim Wurstverzehr die Zeit aus den Augen verloren hatte, schnell zum Gleis, und sie können sich denken, lieber Leser, was passierte. Während ich mit Sack und Pack, Würstchen, Pappe mit Senf und Toastbrot durch die Empfangshalle lief, verabschiedete sich ein Klecks Senf von der Wurstpappe und folgte der Schwerkraft, landete aber in dem rechten Auge eines kleinen Rauhaardackels. Dieser fing sofort an, zu jaulen, riss sich von seinem Frauchen los und sprang halb blind und orientierungslos in das Gleisbett, was zu einer Notbremsung des ICEs Konrad Adenauer führte, der folgend die durch die Bremsung verursachte Verspätung nicht mehr ausgleichen konnte und bundesweit das gesamte DB Netz mitriss und Verspätungen produzierte, die historisch zu nennen sind. Auch wenn wir gemeinsam den Dackel retten konnten, also wenigstens niemand körperlich zu Schaden kam, waren die Folgen der Wurstpappe und des Senfes grauenhaft. Also Obacht: Brötchen statt Wurstpappe, Freunde.


Über Penner und Herrn Martenstein

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(15.2) Ich kaufe mir nicht oft DIE ZEIT. Ist mir einfach zu dick. Wenn ich sie mir kaufe, dann häufig auf langen Zugfahrten. Man kann sich sehr gut mit ihr zudecken oder sich ein Zelt bauen. Natürlich schmöckere ich auch ein wenig in dem Blatt und das Magazin blättere ich sogar ganz durch und somit stoße ich auch oft auf die Kolumne von Harald Martenstein.
Ich sage es gleich, ich halte Harald Martenstein für ein Arschloch. Ich entschuldige mich dafür, weil ich den feinen Herren nicht kenne und er vielleicht nur durch seine Schreibe als Arschloch rüberkommt. Aber ich kann nichts dafür. Wenn ich an den Kolumnisten denke, kommt mir als erstes das Wort Arschloch in den Sinn.
Nun ja, jedenfalls hab ich mir diese Woche auch mal wieder die ZEIT (13.2 Nr.8) geholt. Bahnfahrt Münster – Nürnberg, da kann man so etwas gut mit dem ganzen Papier füllen. Dieses Mal schreibt Martenstein über den Versuch eine BC 100 zu erwerben, was nicht klappt und sogar in einem Eklat mit der DB endet. Und wieder einmal stellt man sich nach der Lektüre der Martensteinschen Welt Fragen. "Was will mir dieser Kolumnist der Küsschen, Küsschen Gesellschaft überhaupt sagen?" "Möchte er uns mitteilen, dass er sich eine BC 100 leisten kann?" "Vielleicht fragt er auch nach dem kleinen Mann?" Wenn sogar eine so wichtige intellektuelle Größe der Bundesrepublik Deutschland wie Herr Martenstein an der Prinzip Deutsche Bahn scheitert, was geschieht dann erst mit dem Kleinen Mann. Der Kleine Mann kann sich natürlich keine BC 100 leisten, aber vielleicht geht es bei ihm um ein Sparticket oder das neue LIDL Angebot „Ganz Deutschland für 49 Euro“. Wie soll der Kleine Mann denn hier an seine Infos und das Ticket kommen, wenn Herr Martenstein schon daran scheitert. Ich weiß es nicht. Der Lustschreiber der Chai - Latte Fraktion schreibt am Ende, dass der telefonische Kundenservice der DB ihn als Arschloch beschimpft hat. Das ist natürlich wirklich gemein und fies. Worüber sich der gute Herr auch beschwert, was immer er uns mitteilen will, Arschloch sagt man nicht. Darüber kann man sich ruhig mal auskotzen.


Die beiden Damen

U Bahn Treppe München Am Aasee stürzte letztens ein Mann auf den Treppen. Zwei Damen, die ein paar Meter weiter eine Bratwurst aßen, kommentierten das Geschehen.

"Autsch, hast du das gesehen? Der Mann hat sich sicher sehr weh getan."
"Hä?"
"Der Mann ist die Treppen herunter gefallen. Er ist gestürzt.Guck doch."
"Ach? Lass lieber und iss deine Wurst. Wenn die kalt ist, schmeckt die nicht."
"Der Arme. Hoffentlich hat er sich nichts getan."
"Sicher ein Betrunkener. Komm lieber weiter."
"Vielleicht braucht er Hilfe?"
"Vielleicht sollte er nicht soviel trinken?Komm jetzt."
"Der rührt sich gar nicht mehr. Oh je."
"Komm lass uns jetzt weiter. Ich will keine Probleme haben."
"Aber wenn er Hilfe braucht."
"Ich will keine Probleme haben."
"Aber man hat doch Verantwortung."
"Ich hab genug Verantwortung.Komm weiter."
"Wie bitte? Wo hast du denn Verantwortung?"
"Der Haushalt. Das Grab von meinem Mann. Die Kinder. Hör bloß auf, Schließ nicht von dir auf andere, ich hab genug Verantwortung."
"Aber wir können ihn doch nicht da liegen lassen."
"Doch das können wir. Der soll nicht so viel saufen. Los jetzt."
"Vielleicht hat der gar nicht gesoffen. Vielleicht ist der einfach falsch auf eine Stufe getreten."
"Ach was."
"Vielleicht läuft alles in seinem Leben falsch für ihn. Und jetzt auch noch der Sturz."
"Es gibt kein richtiges Leben im Falschen. Jetzt schmeiß die Wurst weg und komm."
"Oh, Adorno! Gabi, du wirst in deinen späten Jahren noch eine richtige Philosophin."
"Komm jetzt und rede nicht so ein Unsinn."